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Niels Knolle

VISUALISIERUNG VON MUSIK AM COMPUTER

Arbeitsmaterialien für Auge und Ohr

Visuelle Darstellung am Computer

Intention


Die folgenden Informationen sind als Vorschläge für LehrerInnen zu verstehen, mit den Werkzeugen und Verfahren der neuen Musiktechnologien Aufgaben im Zusammenhang mit der Vorbereitung von Musikunterricht (Erstellung von auditiven und visuellen Arbeitsmaterialien) sowie der Präsentation von musikbezogenen Sachverhalten während des Unterrichts zu bearbeiten.
Verwendet wird das Programm Cubase, das die Möglichkeit bietet, Eigenschaften und Verläufe musikalischer Materialien zu visualisieren und so den SchülerInnen über die synästhetische Wahrnehmung durch Auge und Ohr das Verständnis dieser Sachverhalte zu erleichtern. Die Verfahren der Visualisierung werden hier hier am Beispiel der [link 01] Seriellen Musik gezeigt.

Zum Thema: Was ist überhaupt Musik?

Musik scheint das zu sein, was wir hören. Aber was hören wir? Ob wir nun von Sprache, von Geräuschen oder eben von Musik reden - genau genommen vernehmen unsere Ohren einander überlagernde Schallwellen, mehr nicht. Auch die Tintenmoleküle einer auf dem Papier notierten Zeichenfolge stellen als solche noch nicht den Satz dar. Die Schallwellen am Trommelfell wie auch die Bildpunkte auf der Netzhaut müssen im Anschluss an ihre Transformation zu elektrischen Strömen im Gehirn auf der Basis von Erfahrungen und Zuordnungen decodiert werden. Erst im Bewusstsein des Menschen entstehen Musik bzw. Bilder oder anders ausgedrückt: Ihre Existenz ist an die verstehende Interpretation des Menschen gebunden.
Die computergestützte Darstellung von Gehirnströmen, die durch die Wahrnehmung von musikalischen Schallwellen hervorgerufen wird, kann zwar neurologisch informativ sein. Aber auch sie stellt keine Visualisierung von Musik dar, sondern zeigt lediglich Wechselspannungen, die sich analog zu den Schallschwingungen verhalten.
Und Partituren? Auch sie sind nicht die Musik selbst, sondern lediglich grafische Anweisungen für Aktionen, die Musik hervorbringen. Immerhin weisen einige ihrer visuellen Merkmale eine Entsprechung zu musikalischen Merkmalen auf, wie unten demonstriert wird.
Und Videoclips oder Filme? In manchen Einstellungen vermögen sie vielleicht zu zeigen, wie Musik mit Instrumenten hervorgebracht wird. Oder die Bilder zeigen, was der Regisseur beim Hören der Musik empfunden oder assoziiert hat, aber eine Visualisierung der Musik selbst stellen sie nicht dar.
Streng genommen lässt sich Musik also nicht visualisieren. Visualisieren lassen sich aber auditive Merkmale bzw. einzelne Aspekte der sinnlichen Erscheinungsform von Musik, aber eben nicht die Musik selbst.

Musik visualisieren: Beispiel serielle Musik

Reihe 1 und ihre Umkehrung
[link 02] Abbildung vergrößern
Diesselbe Reihe in grafischer Darstellung
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Visualisierung einzelner Parameter
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Serielle Musik lässt sich nicht nur mit Sequenzerprogrammen in besonders sinnfälliger Weise komponieren (bzw. konstruieren), sondern die seriell bearbeiteten Parameter der einzelnen Töne bieten sich auch für die Visualisierung an.
Auf der „Mikroebene” sind dies die Parameter Tonhöhe, Tondauer, Zeitpunkt des Tonanschlags, Lautstärke; aber auch die Klangfarben und Ton-Orte im Raum lassen sich für jeden einzelnen Ton seriell organisieren.
Bei der Bearbeitung der Parameter in den Editorfenstern des Sequenzers (hier z.B. bei „Cubase”) werden die Veränderungen an den einzelnen Noten simultan akustisch hörbar.

Auf der „Makroebene”können ganze Tonfolgen, in der Regel 12-Ton-Reihen, seriell organisiert werden als Transposition (das Verändern der Tonhöhe), als Umkehrung (das Vertauschen der Tonhöhenbewegungsrichtung einer musikalischen Passage), als Krebs (Rückwärtsspielen einer Notenpassage) und als Krebs einer Umkehrung.
Der Computer bzw. das Sequenzerprogramm eignet sich hier besonders gut zur synästhetischen Demonstration des akustischen Verlaufs simultan zur visuellen Darstellung der Noten bzw. der Partitur. Bei entsprechender Vorarbeit bietet es sich an, die SchülerInnen selbst serielle Musik anhand einer Adaption z.B. des Stücks „Structures Ia ”von Pierre Boulez am Computer konstruieren und mit Soundgeneratoren aufführen zu lassen. Ausgangspunkt für ein solches Vorhaben könnte der folgende Hinweis von Boulez sein:
„Ich denke, dass man mit den mechanischen Mitteln der Reproduktion - dem Tonbandgerät vor allem - Strukturen realisieren wird, die nicht mehr von instrumentalen Schwierigkeiten abhängen werden, und man wird arbeiten können mit gegebenen seriellen Frequenzen. Und so wird jedes Werk sein eigenes Universum haben, seine eigene Struktur und seinen eigenen Modus der Erzeugung auf allen Ebenen.” [link 05] [1]

Arbeitsprozesse

Die einzelnen Arbeitsschritte zur synästhetischen Aufbereitung von Musikmaterial in „Cubase” sind in einem Video [link 06] [RealMedia | 12,5 Min.], [link 07] [Windows Media | 12,5 Min.] zu sehen.
In einem [link 08] [PDF | 345 KB] sind alle Arbeitsschritte nochmals zusammengefasst.

1. Öffnen des Parts


Öffnen Sie mit der Maus im Arrangement „1 Zwölftöne” den Part mit dem Editor „BEARBEITEN ”(STRG E). Links befindet sich in vertikaler Anordnung eine Klaviatur, die Zeitleiste verläuft horizontal (markiert durch die Taktstriche). Scrollen Sie den Bildausschnitt so, dass sich links auf der Klaviatur in der Mitte die Taste C3 befindet.

2. Eingabestift bereitstellen


Halten Sie die rechte Mausetaste gedrückt: Es öffnet sich ein Werkzeugkasten. Schieben Sie den Pfeil auf den Stift und lassen die Taste los. Der Pfeil arbeitet nun als Eingabestift.

3. Erzeugen der 12 Töne


Erzeugen Sie nun mit dem Eingabestift ganz links (also in Takt 1 auf der ersten Zählzeit) durch Klicken neben den Tasten zwölf Töne (C3 bis H3). Die Darstellung dieser Töne visualisiert die Parameter Tonhöhe (vertikal) und Tondauer (horizontal). Die beiden Boxen geben die Zeitauflösung an: Raster für den Abstand der vertikalen Linien (hier als Achtelnoten) und Quant. für die Tondauer (hier ebenfalls Achtelnoten).
[link 09] Abbildung vergrößern

4. Verändern von Tonhöhe und Tondauer


Sie können die Höhe jedes Tons durch vertikales Verschieben mit der Maus verändern (in der 12-Ton-Musik sind Sie aber an den eben erzeugten Tonhöhenvorrat gebunden).
Nun gilt es den Parameter Tondauer zu editieren: Es stehen Ihnen 12 Tondauern z.B. auf der Basis von Achtelnoten zur Verfügung: von Achtelnote bis zu 12 x Achtelnote = Punktierte Ganze. Verwandeln Sie wieder die Maus in einen Stift und ziehen Sie am Ende des Tonbalkens die jeweilige Note auf die gewünschte Dauer.

[link 10] Abbildung vergrößern

5. Zeitpunkte der Tonanschläge


Auch dieser Parameter lässt sich seriell editieren. Ihnen stehen zwei Möglichkeiten zur Wahl:
a) Schlagen Sie jeweils zum Ende einer Note die nächste Note an.
b) Sie organisieren auch die Pausen seriell - von der Achtelpause bis zur Pause über eineinhalb Takte (= 12 x Achtelpause), beginnend auf der 1. Zählzeit in Takt 1.
Sie können z.B. jeden Einzelton nach einer eigens zugeordneten Pause anschlagen - also die 3/8 Note nach einer 9/8 Pause etc.
Bearbeiten Sie auf experimentelle Weise die einzelnen Töne, indem Sie zunächst den Ton mit Maus anklicken und gedrückt halten, sodann auf der Computer-Tastatur die Shift-Taste drücken und nun den Ton auf der Zeitleiste mit der Maus verschieben.

Hier ein mögliches Ergebnis für Lösung b: 12 Tonhöhen, 12 Tondauern, 12 Zeitpunkte für den Anschlag (die Töne sind nach ihren Höhen farblich markiert mit Hilfe der Farbstifte oben rechts):

[link 12] Abbildung vergrößern
6. Lautstärke der Töne
Der MIDI-Standard umfasst 128 Werte für Lautstärken (Velocity = Geschwindigkeit des Anschlags). Daraus lassen sich sehr gut 12 Stufen ableiten, nämlich 10; 20; bis 120. Mit der zum Stift mutierten Maus können Sie nun auch unten im BEARBEITEN Editor die Lautstärken seriell bearbeiten.

Ein mögliches Ergebnis
[link 13] Abbildung vergrößern

7. Klangfarbe der Töne


Der MIDI-Standard umfasst außerdem 16 Kanäle, über die sich 16 einzelne Klangerzeuger (Sounds) einzeln ansprechen lassen. Diese Sounds können über sog. Programm-Change-Befehle angewählt werden.
Wechseln Sie von der bisherigen Darstellung im BEARBEITEN-Editor durch Drücken der Tasten STRG G in den LISTEN-Editor. Hier werden die Daten zu den Tönen ihrer Reihefolge nach in einer Liste dargestellt. In der Spalte Kan. sind die den Tönen zugeordneten MIDI-Kanäle aufgeführt, in den übrigen Spalten sehen Sie die Werte für Zeitpunkte des Anschlags, für die Tonhöhe, die Dauer und die Lautstärke:
Ordnen Sie, wie dargestellt, jedem Ton seinen MIDI-Kanal zu (Kanal 10 ist reserviert für Schlagzeug-Sounds). Verlassen Sie nun diesen Editor und kehren Sie auf die Hauptseite mit dem Arrangement zurück. Hier muss in der Spalte Kanal eingetragen sein: >Alle<, damit alle MIDI-Kanäle, die Sie soeben in dem Part eingegeben haben, berücksichtigt werden. In Ihrem Soundgenerator weisen Sie nun jedem einzelnen Sound, den Sie verwenden wollen, einen eigenen MIDI-Kanal (als Adresse) zu, so dass z.B. die rote Note in der obigen Darstellung in Takt 1 auf der Zählzeit 3 mit der Länge 960 (eine Achtel hat die Länge 192, es handelt sich also um eine 5/8 Note), der Tonhöhe C3 und der Lautstärke 20 über den Midi-Kanal 4 in Ihrem Soundgenerator z.B. mit dem von Ihnen gewünschten Sound wiedergegeben wird.
Die MIDI-Soundtabelle können Sie auf der Hauptseite aufrufen.

[link 14] Abbildung vergrößern

8. Visualisierung der Wiedergabe von Tonreihen (Parts)


Verlassen Sie die LISTEN-Editor über die Return-Taste: Sie befinden sich jetzt wieder auf der Hauptseite des Programms mit den Arrangements, auf Spur 1 sollte sich der Part mit der soeben konstruierten 12-Ton-Reihe befinden.
Diesen Part können Sie nun seinerseits wieder als den Ausgangspunkt einer Reihenkonstruktion verwenden, indem Sie den Part 12 Mal kopieren (Taste ALT gedrückt halten und den Part mit der Maus auf eine weitere Spur schieben).
Anschließend geben Sie im Part-Inspector (unten links auf den Pfeil nach links klicken) für jeden Part einen MIDI-Kanal, einen Program-Change für den Sound, eine Position auf der Zeitleiste sowie eine Transposition ein. Jeder dieser Parameter lässt sich aus den Reihenwerten ableiten. Das (denkbare) Ergebnis können Sie im Arrangement 3 des Songs [Mikroebene Serielle Musik] hörend verfolgen und unten in grafischer Darstellung sehen:

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Anwendung im Unterricht

Vermittlungsziele


Im Unterricht können Sie mit den Materialien beispielsweise wie folgt arbeiten:
1. Das Musikstück des Komponisten Boulez wird mit den SchülerInnen germeinsam im Unterricht angehört. Man könnte dazu Texte über Boulez lesen [link 16] [1]
2. Der Lehrer zeigt der Klasse über einen Beamer, wie er serielle Musik-Parameter in dem Sequenzerprogramm strukturiert und visualisiert und erklärt daran die Grundzüge der seriellen Musik.
3. Anschließend sollen die SchülerInnen sich selbst am Computer 12 Töne ausdenken (oder die von Boulez nehmen) und in „Cubase” arrangieren. Sie denken sich also selbst - nach dem Beispiel des Komponisten Boulez - eine serielle Folge aus.
Die SchülerInnen lernen das Prinzip serieller Musik kennen, in dem sie anhand eigener Praxis erfahren, wie Komponisten gearbeitet haben.

Zeitbedarf und Rahmenbedingungen


Diese Materialien sind zur Unterrichtsvorbereitung für die Klassen 10-13 gedacht. Vorkenntnisse und Basis-Erfahrungen in der Musikproduktion mit dem Computer sind erforderlich und die Grundphilosophie der Sequenzer-Programme „Cubase” (für Windows) oder „Logic Pro”(für Apple) sollten die LehrerInnen verstanden haben.

Die minimale technische Ausstattung


Ein Computer mit interner Soundkarte und Anschluss für externe Klangwiedergabe über eine Audio-Anlage, Tastenfeld und Maus kabellos, Fernsehgerät oder großer Monitor.
Software: Word, Powerpoint, Cubasis VST 4 Education oder vergleichbarer Sequenzer

Die optimale multimediale Ausstattung


Ein Computer am Lehrertisch mit interner Soundkarte, Anschluss für externe Klangwiedergabe über eine Audio-Anlage, internem CD-Brenner, Tastenfeld und Maus kabellos, Beamer.
Je ein Computer für jeweils drei oder vier SchülerInnen (Gruppenarbeit) mit interner Soundkarte, internem CD-Brenner, zwei Lautsprechern, Kopfhörerausgang mit Verteilbox für vier Kopfhörer, vier Kopfhörer, Monitor.
Software: Word, Powerpoint, Cubase oder vergleichbarer Sequenzer

Materialien

Materialien für die Bearbeitung einzelner Töne (Mikroebene)


CUBASE-Song [link 17] Mikroebene Serielle Musik (Cubase-Dateiformat)
Anleitung zur praktischen Erkundung der Parameter [link 18] [PDF | 751 KB] der Seriellen Musik
Videoanleitung zur praktischen Erkundung: [link 19] [Realmedia |12,5 Min] , [link 20] [Windows Media | 12,5 Min.]
Soundtabelle General MIDI Standard [link 21] [PDF | 30 KB]

Materialien für die praktische Erkundung der Makroebene


CUBASE-Song [link 22] Makroebene Boulez (Cubase-Dateiformat)
Materialien zur praktischen Unterrichtsarbeit an der Seriellen Musik von Boulez [link 23] [PDF | 322 KB]

Literatur


[1] BOULEZ, Pierre: Zwei Briefe an John Cage. Musikanalysen
BOULEZ, Pierre: Structures. Premier Livre. - Wien: Universal Edition 1955
BOULEZ, Pierre: Musikdenken heute 1. (Darmstädter Beiträge zur Neuen Musik V). - Mainz: Schott, 1963
DIBELIUS, Ulrich: Moderne Musik II. 1965 - 1985. - München: Piper, 1988
FRISIUS, Rudolf: Aufgeklärte Musik. Über Theorie und Praxis der seriellen und der konkreten Musik. - In: Rudolf Stephan (Hrsg.): Musik und Theorie. Mainz: Schott, 1987, S. 45-55
KNOLLE, Niels: Musik hörend sehen und sehend hören - Multimedia und Synästhesie. [Am Beispiel einer Fuge von Bach]. In: Musik in der Schule 4, 2002, S. 38-42
KNOLLE, Niels: Visualisierung von Musik. Multimedia als Werkzeug der Analyse und musikalischen Gestaltung. [Am Beispiel eines Nocturne von Chopin]. In: Musik & Bildung 4, 1999, S. 28-33
LIGETI, György: Pierre Boulez. - In: Herbert Eimert (Hrsg.): Junge Komponisten. (Die Reihe Bd 4). Wien: Universal Edition, 1958. S. 38-63

Liste der Links in der Seite:

[link 01]http://de.wikipedia.org/wiki/Serielle_Musik
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[link 17]mediafiles/Mikroebene-Serielle-Musik.all
[link 18]documents/Musikvisualisierung_Arbeitsschritte.pdf
[link 19]mediafiles/av_12_serielleKonstruktion_origsize_ode_00h12m24s.ram
[link 20]mediafiles/av_12_serielleKonstruktion_origsize_ode_00h12m24s.asx
[link 21]documents/MIDI-Standard-Tabelle.pdf
[link 22]mediafiles/MakroebeneBoulez.all
[link 23]documents/boulez.pdf