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\\ Lernen\ Ich sehe, was du hörst\ Theorie: Wahrnehmung |
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In einem Kompaktseminar wird mit den Kunst- und KunsttherapiestudentInnen eine Auswahl von Texten zum Thema Wahrnehmung und Interfaces diskutiert. Die Texte thematisieren die kulturelle Modernisierung von Jugend durch die aktuelle Medienrealität (Röll) und die Bedeutung von Kunst als Sammelbecken für ein "Terrain gesellschaftlicher Abweichung" (Welsch). Die Auseinandersetzung mit Wahrnehmungsstrukturen als Grundlage von Normierungen führt zu der Betrachtung ihrer aktiven und zielgerichteten Anteile durch die Sinne. Dem Tastsinn kommt dabei die Sonderfunktion zu, zwischen "Innen und Außen" zu unterscheiden (Waldenfels). Die Literaturauswahl soll Positionen medienvermittelnder Wahrnehmung als Grundlage eines gemeinsamen Verständnis schaffen. An dieser Stelle werden hier lediglich die Quellen erwähnt und der Diskussionsinhalt wiedergegeben.
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Franz Josef Röll: Modernisierung von Jugend [1]
¬ | Als Hauptpunkte in Rölls Argumentation wurden erkannt: Individualisierung / Selbstdeutung, Erlebnisorientierung / "have fun" - Ästhetisierung / Distinktion, Ontologisierung / Weltbildsuche. Der "Individualisierungszwang" führt zu Formen der Erlebnisorientierung und Ästhetisierung. |
¬ | Selbstdeutung weicht auf esoterische Muster aus. |
¬ | Obwohl plausibel, werden "Ästhetisierung" und "Ontologisierung" um ihre positiven Seiten gekürzt. |
¬ | Rölls Resultate und Hinweise können einen geeigneten Hintergrund für Rahmensituationen von Spielkonzepten in virtuellen Environments geben. |
¬ | Die wachsende Bedeutung der Medien ist mehr im Zusammenspiel mit erlebnisorientierten Entwicklungen zu sehen. |
¬ | Die StudentInnen kritisieren, dass Rölls Argumentation eine lineare Entwicklung voraussetzt, in der die Angebote der Gesellschaft kategorisch als Blockaden verstanden werden, die den Menschen auf sich zurückwerfen und die Muster seiner Selbstdeutung reduzieren. |
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Wolfgang Welsch: Ästhetisches Denken [2]
¬ | Hauptpunkt in Welschs Argumentation ist die doppelte Paradoxie zwischen Kunst und Gesellschaft: In der Moderne ist die Kunst zum Ort des Fremden, des Anderen und der Negation geworden. In der Gesellschaft hingegen wird das Abweichen von der Norm sanktioniert, z.B. mittels psychiatrischer Anstalten. |
¬ | Die Paradoxie liegt in der Definition und Verortung des Anderen und führt dazu, dass Kunst den Dissenz mit der Gesellschaft durch die Abweichung zum Konsens macht. |
¬ | Welschs Interesse gilt der These von Deleuze/Guattari, die besagt, dass eine gewisse Labilität zum Normverhalten gehört und dass diese die Rahmenbedingungen der klassischen Paradoxie in der Kunst der Moderne unterläuft. |
¬ | Wenn es "normal" ist, schizophren oder multipersonalistisch zu sein, um in einer komplexen Welt zu überleben, so wird das Fundament der künstlerischen Kritik an der Gesellschaft obsolet. |
¬ | Hinzu kommt, dass der alltägliche Pluralismus moderner Gesellschaften per se einen Perspektivismus definiert, gegen den die Rede von einem Normalen ebenso unsinnig wird wie die von einem Anderen oder Fremden. |
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Bernard Waldenfels: Sinnesschwellen [3]
¬ | Hauptpunkt in Waldenfels' Argumentation ist die Zuschreibung von Bewegung zu anderen Sinnen, die in einem sich bewegenden Empfinden oder in einem empfindenden Bewegen aufgehen: Die Sinnesbetätigung ist stark an den Lebensvollzug gebunden. Bild- und Klanggestalten gewinnen durch die Verzögerungsphase zwischen "Reizaufforderung" (Auslöser) und "Reizantwort" eine "relative Selbständigkeit" des Subjekts. |
¬ | Stellenweise ist die Argumentation behaviouristisch, da Wahrnehmungstypen auf körperliche Bewegungsabläufe reduziert werden. So leuchtet nicht ein, warum dem Riechen trotz der "Bewegung der Nasenflügel" ein Bewegungsverlauf zugrunde liegen soll. Ebenso könnte angeführt werden, dass die Bewegung eine Folge des Riechens ist. |
¬ | "Bewegung" und "Rhythmus" sollten daher als Metaphern für eine aktive und zielgerichtete Wahrnehmung aufgefasst werden. Die Medienentwicklung führt zu wesentlich schnelleren Veränderungen im urbanen Bereich denn in ländlichen Gebieten. |
¬ | Waldenfels geht als Phänomenologe (und nicht als Behaviourist) vom Bild des Rhythmuskonzeptes aus. Bewegung zielt auf eine eher aktive Bewältigung des subjektiven Wahrnehmungsraumes. |
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[1] Franz Josef Röll aus: "Mythen und Symbole in den populären Medien. Der wahrnehmungsorientierte Ansatz in der Medienpädagogik"; Röll, Franz Joseph, Gemeinschaftswerk der evang. Publizistik, Beiträge zur Medienpädagogik, Band 4, Frankfurt a.M., 1998 [2] Wolfgang Welsch aus: "Ästhetisches Denken"; Welsch, Wolfgang, Reclam, 2. Auflage, Dietingen, 1991 [3] Bernhard Waldenfels aus: "Sinnesschwellen. Studien zur Phänomenologie des Fremden 3"; Waldenfels, Bernhard, Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft, Frankfurt a.M., 1999
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