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05 _ Zeitleisten und Zeitebenen |
Zeitliche Abläufe scheinen sich zunächst für die Darstellung in einer linearen Nacherzählung anzubieten. Bei genauerer Betrachtung aber erweisen sich die Beziehungen zwischen Geschehnissen häufig als weitaus vielschichtiger verflochten als zuerst angenommen. Es offenbart sich dann die gegenseitige Beeinflussung unterschiedlicher, sich parallel entwickelnder und zum Teil verknüpfter Bereiche. Besonders die historische Darstellung läuft also Gefahr, einer Vereinfachung zu unterliegen, besonders dann wenn sie aus einer Perspektive, etwa von einem Autor angefertigt wurde.
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Die › Telematics Timeline (2001) von Steve Dietz leistet die graphische Darstellung einer historischen Entwicklung der Telekommunikationstechnologie und auf ihr basierender Kunst. Die dynamische Zeitleiste ist visuell unmittelbar verständlich umgesetzt. Interaktionsmöglichkeiten bestehen in einer Navigation entlang des Zeitstrangs, in der Auswahl einzelner Projekte, aber auch in der Option, weitere Einträge in die historische Darstellung einzufügen. Es handelt sich um ein Open Source Projekt, jeder Benutzer kann durch eigene Beiträge die historische "Erzählung" verändern. Hier erhält die sonst autoritäre (diskursive) historische Darstellung ein - vom Ansatz her - dialogisches Moment. Die Struktur der Wiedergabe freilich ist festgelegt, alle Einträge werden in einem Zeitstrahl vereint.
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Auch die Plattform netzspannung.org präsentiert eine › Timeline (2000 - 2003).› [15] Das Konzept der interaktiven Zeitleiste erfährt hier eine Erweiterung im Sinne einer Auffächerung des Zeitstrahls in mehrere parallele Entwicklungslinien. Datenbankeinträge werden in verschiedenen Kategorien entlang eines dynamischen Zeitstrahls (oder anders: entlang mehrerer, verschiedenen Kategorien zugeordneter Zeitleisten) angeordnet. Chronologische Zusammenhänge zwischen der Entwicklung verschiedener thematischer Objektgruppen werden visualisiert. Diese interaktive graphische Darstellung ermöglicht die Zugänglichkeit mehrschichtiger historischer Information auf den ersten Blick. Außerdem werden interdisziplinäre Zusammenhänge auf der Basis einer Verschlagwortung angezeigt. Wird ein in der Timeline befindliches Projekt angeklickt, so werden zugleich alle anderen mit diesem über gemeinsame Schlagworte verwandte Einträge ebenfalls visuell hervorgehoben. So entstehen neue Möglichkeiten einer disziplinenübergreifenden Wissensgenerierung. Eine aktuelle Erweiterung des Timeline Interface zielt unter anderem auf seine effektive Nutzung als Tool für kuratierte Präsentationen.
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Die 2002 entstandene › Net Art Idea Line von Martin Wattenberg zeigt eine Timeline der Netzkunst. Sie besteht aus mehreren unterschiedlichen threads. Diese entsprechen jeweils unterschiedlichen Facetten der Netzkunst und Technologietypen und liegen je nach Darstellungsmodus parallel oder laufen fächerförmig auseinander. Die variierende Leuchtkraft der Linien verweist auf die Menge für den jeweiligen Zeitraum in diesem Bereich repräsentierter Projekte und gibt bereits auf den ersten Blick einen Hinweis auf Aktivitätsschübe und "Flauten". Wenn man mit dem Cursor darüber führt, öffnet sich ein Zwischenraum zwischen zwei Linien. In diesem erscheinen, ihrem Entstehungsjahr zugeordnet, Netzkunstprojekte. Wird eines mit dem Cursor berührt, so erscheint ein Fenster mit den Basisinformationen zum Projekt und ein Link zum Projekt. Außerdem werden jene anderen Linien, bzw. Kategorien, markiert, denen das angewählte Projekt ebenfalls zugeordnet ist. Ein und dasselbe Werk ist also an verschiedenen Stellen der Net Art Idea Line und verschiedenen Kontexten auffindbar. Die virtuellen Fäden der Net Art Idea Line dienen dem Besucher des online Projektes als Pfade durch die vielfältigen Beziehungen zwischen unterschiedlichen technologischen und künstlerischen Praktiken innerhalb der Netzkunst und ihrer historischen Entwicklung und entgehen zugleich der Gefahr einer monoperspektivischen und somit auch autoritären Erzählung › [16] im Sinne eines einzigen Entwicklungsstrangs.
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› The Spiral (1999) von Wattenberg ist ein spiralförmiges graphisches Browsing-Interface für die Textsammlung von Rhizome.org. Die im Rhizome Archiv gespeicherten Texte werden als Sterne repräsentiert, sie sind auf einer in die Tiefe führenden Zeitspirale angeordnet. Der Position eines jeden Textsterns entspricht das Datum, an dem er in das Archiv eingespeist wurde. Das ästhetisch interessante Interface ermöglichte eine Navigation entlang der spiralförmigen Zeitleiste und eine Anwahl einzelner Texte, war aber für die tatsächliche, praxisbezogene Anwendung zu langsam. (Ähnliches gilt für ein zweites von Wattenberg gemeinsam mit Alex Galloway und Mark Tribe für Rhizome.org entworfenes Navigationsinterface: StarryNight (1999). Auch hier werden die Objekte als Sterne visualisiert, diesmal zeigt deren Leuchtkraft ihre Beliebtheit. Wird ein einzelner "Stern" angewählt, so formiert sich eine neue Konstellation, die auf der Basis gemeinsamer Keywords Ähnlichkeiten zwischen Objekten repräsentiert.)
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› Manhattan Timeformations (2000) kombiniert im Unterschied zu den bisher vorgestellten Arbeiten die Animation gegenständlicher, wenn auch abstrahierter, Darstellungen mit abstrakten Graphiken und Textinformationen. Das von Brian McGrath und Mark Watkins realisierte Projekt erweitert dreidimensionale Architekturdarstellungen um die zeitliche Dimension und ergänzt sie durch Kontextinformationen. Am Beispiel der durch hohe Bürobauten geprägten architektonischen Entwicklung Manhattans wird der Wandel des städtischen Lebensraums mit mehrschichtigen Informationen über den New Yorker Stadtraum, etwa über die geologische Beschaffenheit des Bodens, aber auch über Kommunikations- und Transportsysteme und stadtplanerische Entscheidungen in Beziehung gesetzt. Der Versuchung hyperrealistischer Architekturwiedergabe wird hier bewusst eine hoher Abstraktionsgrad und eine Mehrschichtigkeit der zur Verfügung gestellten Information entgegen gestellt.
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[15] Für netzspannung.org wurden zwei Interfaces entwickelt, die eine intuitive Erkundung des kollaborativen Wissensraum ermöglichen. Dies sind die Semantic Map und die Timeline. Das Timeline Interface ermöglicht eine kategorienübergreifende und zeitbasierte Kontextualisierung der Inhalte, während das Semantic Map Interface eine Gruppierung von Inhalten auf der Basis semantischer Beziehungen vornimmt. [16] Zum Prinzip der "großen Erzählung", zur Wiederkehr der autoritären Narration in der Wissenschaft vgl. z. B.: Lyotard, Jean-François: Das postmoderne Wissen. Ein Bericht. (1982) Wien 1994, bes. S.87ff.
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