06 _ Präsentation der Simulation: Vermittlung und Mediale Inszenierung |
Da das digitale 3D Modell - im Unterschied zum Text oder zur abstrahierenden Zeichnung - stets auf ganzheitliche Anschaulichkeit angelegt ist, bietet es sich als Instrument der Vermittlung sinnlicher Eindrücke und auch komplexer Inhalte an.
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| Neben ihrem Einsatz im Entwurfsprozess werden digitale Architekturmodelle im Allgemeinen vornehmlich entwickelt, um Auftraggebern oder auch der Öffentlichkeit eine bildliche Vorstellung des geplanten Bauwerks zu vermitteln. Ein aktuelles Beispiel hierfür bietet der von ART+COM visualisierte und im Internet bereit gestellte » Masterplan der Museumsinsel Berlin, der die Neustrukturierung der Museen sowie die vorgesehene Verbindung der historischen Gebäude durch eine Promenade in Kombination mit Texten und historischen Bilddokumenten erläutert.
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| Durch Simulation erhalten aber auch vergangene, rekonstruierte oder fiktive Objekte Eintritt in die Sphäre des Sichtbaren, werden gegenwärtig erfahrbar. Je perfekter ihre visuelle Erscheinung derjenigen realer Objekte gleicht, desto mehr erhalten diese Computervisualisierungen das Aussehen von dokumentarischen Aufnahmen - und damit den Schein von Objektivität und Authentizität. Unter der Leitung von Professor Manfred Koob wurden zum Beispiel im Rahmen des Projektes › Synagogen in Deutschland des Fachgebietes "CAD in der Architektur" an der TU Darmstadt seit 1994 insgesamt 18 digitale Rekonstruktionen von zerstörten deutschen Synagogen realisiert. Dabei ist nicht nur die einzelne Synagoge ein Beitrag zur kulturellen Erinnerung, sondern auch die Vielzahl der Synagogen vermittelt einen Einblick in die Relevanz der Synagogen für die Baugeschichte in Deutschland. Allein die Visualisierung bildet jedoch nur eine erste Ebene der Vermittlung. Ein weiterer und für die Präsentation in der Ausstellung wesentlicher Schritt ist die Frage, wie der digitale Erinnerungsraum und die historischen Artefakte in ein einheitliches Vermittlungskonzept integriert werden können.
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| Ebenfalls an der TU Darmstadt entstand, in Partnerschaft mit dem Staatlichen Historischen Museum Kreml, die Simulation der 850 Jahre umfassenden Baugeschichte des › Moskauer Kremls. Zweites Ziel des Projektes ist neben der Visualisierung auch eine interaktive Vermittlung auf der Basis einer Game Engine. Der Nutzer soll mit Hilfe von Avataren das Gebäude erkunden und mit anderen Besuchern Kontakt aufnehmen können.
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Soll eine Simulation einer größeren Öffentlichkeit präsentiert werden, so wird bei der Wahl einer Präsentationstechnik häufig eine Reduktion der Datenmenge angestrebt. Zu den Möglichkeiten zählt hier die Generierung von Einzelbildern des virtuellen Raumes, aber auch die Aufbereitung der digitalen Modelle als Filmsequenzen. Ein begrenztes Maß an Interaktivität bei gleichzeitig relativ geringem Rechenaufwand ermöglichen die bereits beschriebenen QuickTime Panoramen.
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Bilder, Filme und QuickTime Panoramen bieten sich dazu an, im Internet online zur Verfügung gestellt oder auch auf CD-Rom oder DVD, meist in Kombination mit einem Katalog, vertrieben zu werden. Während auf lokal gespeicherte Daten vor Ort zugegriffen werden kann, erlauben Online-Projekte einen Zugang von fast jedem Punkt der Welt. In der Virtual Reality Modeling Language (VRML) erstellte Modelle ermöglichen dem Internetnutzer zudem ein relativ freies Navigieren durch die Simulation. › [10]
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| Im Unterschied zu solchen, meist am Bildschirm oder als Projektion erfahrbaren Simulationen umfassen die Möglichkeiten der Präsentation digitaler Modelle ferner sowohl virtuelle Environments als auch Augmented Reality Systeme. Sie verlangen eine hohe Rechenkapazität. Durch am Körper getragene Geräte (Wearables), zum Beispiel semitransparente Datenbrillen, bieten Augmented Reality Systeme eine Überlagerung und Ergänzung von realem Raum und digitaler Zusatzinformation. Hier kann sich der Betrachter relativ frei fortbewegen und seine Blickwinkel frei wählen und bekommt die jeweils relevanten digitalen Zusatzinformationen, zum Beispiel Rekonstruktionen von nur fragmentarisch erhaltenen Gebäuden (› ARCHEOGUIDE) oder Gemälden und simuliertes historisches Leben (› LifePlus) zugespielt. Reale Umgebung und digitale Objekte überlagern sich hier.
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| Grundsätzlich führt die Verwendung persönlicher Informationssysteme, die am Körper getragen werden, beispielsweise Handys oder Pocket Computer, in Verbindung mit GPS (Global Positioning System) Positionserkennung dazu, dass tendenziell auch urbane Räume als begehbare Informationsräume gestaltet werden können. Ein Beispiel bildet der interaktive Cityguide › navpaq. Das Thema › Explore Information zeigt ausführlicher, auf welche Weise auch zum Beispiel interaktive Raumklang-Installationen und Audio Guide Systeme eine Ergänzung des realen Raumes durch Zusatzinformation leisten und neue Vermittlungsformen eröffnen.
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| Auch die Überlagerung realer Architektur durch eine ergänzende Diaprojektion, wie sie erfolgreich im Projekt › La Cathédrale en Couleurs realisiert wurde, kann gewissermaßen als eine Simulation im Sinne der "Augmented Reality" verstanden werden. Auf technisch relativ unaufwändige Weise wird hier die reale Umgebung durch Zusatzinformationen bereichert. Eine rekonstruierte, zum Teil hypothetische Realität der farbigen Fassung der Skulpturen wird simuliert und so zu einer gegenwärtigen und realen Erfahrung.
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| Reine VR Environments hingegen ermöglichen es, scheinbar vollständig in eine Simulation einzutauchen und diese auch körperlich zu erfahren. In › Home of the Brain (1991/1992) betritt der Besucher ein virtuelles Museum medialer Theorien und erfährt etwas über die Gedankenräume unterschiedlich argumentierender Medienphilosophen. Seinem Interesse folgend steuert er das Gespräch zwischen thematischen Begriffen. Es handelt sich um eine dreidimensionale, den Wahrnehmenden umgebende, audio-visuelle, symbolisch-abstrahierte Darstellung, die über Datenhandschuh und Datenbrille auf die Aktionen des Benutzers reagiert.
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| Sowohl AR als auch VR Systeme verwenden Trackingmechanismen, um die genaue Position des Betrachters (und zum Beispiel seine Blickrichtung) zu bestimmen. Der Benutzer erlebt, unterstützt durch Stereoskopie, die Illusion, tatsächlich in die künstliche Umgebung einzudringen und mit dieser zu interagieren. Das Prinzip der in virtuellen Environments › CAVE - Computer Automatic Virtual Environment und durch Headmounted Displays › Eyephone oder › Boom erzeugten Immersion verweist auf eine weitgehende Verdrängung des Realen zugunsten der Simulation. Dieser Eindruck wird jedoch durch die vollständige Verkabelung des Nutzers geschmälert, eine Situation, die Paul Virilio als rasenden Stillstand beschreibt. Um den Zugang zu digitalen Räumen durch nicht behindernde Schnittstellen zu ermöglichen, liegt daher ein Forschungsschwerpunkt des MARS Labs in der Entwicklung intuitiver Interfaces.
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| Auf der interaktiven Navigationsplatte, der › Virtual Balance (1995), steuert der Besucher durch einen virtuellen Archäologischen Park, dem räumlichen Computermodell der antiken Römerstadt "Colonia Ulpia Traiana" in der Nähe des heutigen Xanten. Reale Körperbewegung und Bewegung im digitalen Raum stehen in direkter Beziehung und erlauben eine Inspektion der simulierten Gebäude sowohl aus der Perspektive des Fußgängers als auch aus der Vogelperspektive. Der Teilnehmer bleibt völlig unverkabelt und steuert nur durch Schwerpunktverlagerung das projizierte Bild als würde er durch einen Film gehen. Er erhält mittels dieser körperlichen Erfahrung eine räumliche Vorstellung von der archäologischen Rekonstruktion.
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Wie diese Beispiele zeigen, werden an verschiedenen Stellen neue Konzepte und Technologien für die Vermittlung des kulturellen Erbes erprobt. So entstehen neue Modelle und Prototypen. Werden diese auch auf Kongressen, Festivals und Ausstellungen vorgestellt, so stellt ihr langfristiger Einsatz die meisten Museen doch noch vor technische und finanzielle Probleme. Nur an wenigen Stellen sind einige der entwickelten Technologien für längere Zeit einer breiten Öffentlichkeit zugänglich. Beispiele im deutschsprachigen Raum sind das » Ars Electronica Center, Linz und das » Medienmuseum des ZKM, Karlsruhe. Häufig jedoch verschwinden neue Technologien der Vermittlung wieder hinter den verschlossenen Türen der Forschungslabors, in denen sie entwickelt wurden. Für einen langfristigen Nutzen dieser Forschung für den Bereich der kulturellen Vermittlung ist eine integrative Einbeziehung der neuen Technologien bereits in die Planung von Ausstellungskonzepten und -architekturen ebenso notwendig wie die Sicherung ihrer Zugänglichkeit für größere Bevölkerungsgruppen und über längere Zeit.
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