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11.05.2007

Cultural Heritage

01 _ Kulturvermittlung mit digitalen Medien
02 _ Zum Begriff: Cultural Heritage
03 _ Simulation als Erzählung und Erforschung von Kultur
04 _ Simulation mit Photographie, Film- und Videotechnik
05 _ Computerunterstützte Visualisierung als Forschungsinstrument
06 _ Präsentation der Simulation: Vermittlung und Mediale Inszenierung
07 _ Wissenschaftlichkeit versus Suggestionskraft
08 _ Kritik an der Simulation
09 _ Exkurs: Zum Begriff der Simulation
10 _ Projektauswahl

08 _ Kritik an der Simulation

Jean Baudrillard thematisiert neben der Simulation (der Aktion des Simulierens) auch das Simulakrum (die simulierende Repräsentation). Beides ist bei ihm deutlich negativ belegt. So beschreibt er den Vorgang des Simulierens unter anderem als das "Vorschützen (eines Sachverhalts)", als "Heuchelei", "Vorspiegelung" und "Täuschung". Das "Simulakrum" bezeichnet Baudrillard sowohl als "Nachbildung", als auch "Trugbild" und "Blendwerk". › [18] Gerade die Faszination und die Hingabe für das Detail werden hier als Charakteristika des Simulakrums (und des Kitschs im Besonderen) genannt: "It [Kitsch] can be best defined as a pseudo-object or, in other words, as a simulation, a copy, an imitation, a stereotype, as a dearth of real signification and a superabundance of signs, of allegorical references, disparate connotations, as a glorification of the detail and a saturation by details." › [19] Bezieht sich Baudrillard auch auf einen Überfluss der Zeichen bei einem gleichzeitigen Mangel an Bedeutung allgemein, so wird hier doch auch der wichtigste Kritikpunkt digitaler Modelle angesprochen.
Der Kunsthistoriker Hubertus Günther greift solche Vorwürfe auf: "Manchmal trifft man auf die Befürchtung, die Computer-Visualisierung trage eher dazu bei, den Blick abzustumpfen, zu verflachen." Und er analysiert: "Das mag sein, wenn man nur passiv auf solche Visualisierung schaut. Wenn man sie selbst kritisch erstellen muss, ist die Situation umgekehrt." › [20] Hier liegt eine Problematik für die Verwendung der erarbeiteten digitalen Modelle als Medien der Informationsvermittlung, etwa in Ausstellungen, begründet. Regt die Arbeit an der virtuellen Rekonstruktion auch eine tiefgehende, wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem zu repräsentierenden Objekt an, so besitzen die fertig gestellten Visualisierungen eine Suggestionskraft, die auch Hypothetisches als Faktum erscheinen lässt und das Modell tatsächlich in die Nähe des "Trugbildes" rückt. Der beständigen Konfrontation mit inhaltlichen Fragen durch das Modell auf der einen Seite steht bei passiver Rezeption die Illusion einer eindeutigen und objektiven visuellen Information auf der anderen Seite gegenüber. Dies wird durch die auch in der Entwicklung der Computerprogramme begründeten Tendenz zu einer immer naturalistischeren Ästhetik noch verstärkt.
Auch Rekonstruktionen von vergangenen Objekten oder Gebäuden, die auf einer genauen Auswertung des vorhandenen Materials und sorgfältigen Recherchen basieren, können häufig nur auf der Basis hypothetischer Annahmen vervollständigt werden und stellen nur eines von mehreren möglichen plausiblen Modellen desselben Objektes dar.
Ebenfalls Simulationen, die auf dokumentarischen Aufnahmen basieren, beinhalten in ihrer Selektivität der Perspektive und insbesondere ihrer digitalen Bearbeitung ein konstruktives (und somit auch möglicherweise manipulatives) Moment. Dies bleibt - insbesondere im Hinblick auf ihre visuelle Überzeugungskraft - bei ihrem Einsatz im Ausstellungskontext kritisch zu bedenken.

Jeffrey Shaw kommentiert mit seiner virtuellen 3D Skulptur › Golden Calf (1994) die verführerische Überzeugungskraft der Computervisualisierung auf ironische Weise. Auf einem tragbaren, mit einem Trackingmechanismus ausgestatteten LCD-Display erscheint das virtuelle goldene Kalb auf einem Sockel, der wiederum einem - jedoch leeren - Sockel im realen Ausstellungsraum entspricht. Da die virtuelle Perspektive, in welcher der Betrachter das goldene Kalb auf dem Monitor sieht, seiner Distanz und Position zu dem realen Sockel im Ausstellungsraum entspricht, wird der Besucher zu Verrenkungen, bzw. zu einem "Tanz", um das virtuelle Idol veranlasst.
[18] BAUDRILLARD, Jean: Agonie des Realen. Berlin 1978, S.6.
[19] BAUDRILLARD, Jean: The consumer society. Myths and structures. (1970) London, New Delhi 1998, S.110.
[20] GÜNTHER, Hubertus : Kritische Computer-Visualisierung in der kunsthistorischen Lehre. In: FRINGS, Marcus (Hrsg.): Der Modelle Tugend. CAD und die neuen Räume der Kunstgeschichte. Weimar 2001, S.111-132, S.117.

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8/10 Seiten insgesamt